Kleben am Konkreten

Intellektuelles Erwachen

Ironie

Auch die müssen sie erst lernen und verstehen. Anfangs nehmen sie alles wortwörtlich. Man hüte sich davor, ihnen beispielsweise zu raten, doch mal kräftig gegen die Tür zu treten, wenn sie sie nicht aufkriegen.
Sie tun es; sie werden gegen die Tür donnern, denn Sie haben es gesagt.
Schreiber dieses*  hat seine damals siebenjährige Patenmaus animiert, den Papa doch mal kräftig vors Schienbein zu kicken, wenn er wieder mal ein Versprechen nicht einhalte. Hat sie gemacht! Tapfer, und wirkungsvoll, aber ein bissel kritisch für den Anstifter. Dem Vater fiel zwar der Unterkiefer runter, aber verhauen konnte er sie natürlich nicht. Erfolgt immerhin: Die Gute eroberte sich mehr Gehör und wurde fortan ernster genommen.

Zeit

Und bloß nicht vergessen: Kleine Kinder - wie andere Säuger auch, Karnickel, Katze, Hund, Pferd - kennen keine Zeit! Das kann Erwachsene in den Wahnsinn treiben, denn ihre Effektivität im Leben ist zeitgebunden. Kindern dagegen ist es unverständlich und völlig schnurz, warum bzw. wenn Sie auf die Uhr gucken und drängen. Was soll das also?
Zeit ist die Ordnung des Vergänglichen, aber Kinder kennen weder Geschichte noch Zukunft. Was vor einer Woche war, ist ewig her. Sie lassen sich treiben; sie "trödeln", behaupten wir. Die Zeit dient auch der Koordination des Handelns, aber das überlassen Kinder eh den Erwachsenen.
Auch die kamen wunderbar ohne Zeit aus. Kein Bauer (früher über 90 % d. Bevölkerung) hätte je das Bedürfnis empfunden, sie zu messen. Morgens krähte der Hahn, mittags läuteten die Glocken, nachmittags gab´s das Angelusgebet. Der erste Minutenzeiger einer Kirchturmuhr in Flandern war im 13. Jh. eine Weltsensation. Erst als die Verrechnung von Zeit mit Geld einsetzte, verloren wir diese paradiesischen Zustände. Die Uhr warf die Zeit aus der Natur hinaus. Während wir einst im Takt des Sonnenstandes und der Jahreszeit tickten, gab nun die Machine den Takt vor. 
Die Eisenbahnfahrpläne des 19. Jh. besorgten den Rest durch eine Vereinheitlichung der Zeit, denn wie an alten Sonnenuhren erkennbar, war Mittag ja stets zum höchsten Sonnenstand, und der war an jedem Ort mit dem Lauf der Sonne von Morgen gen Abend unterschiedlich. Jeder Ort hatte seine eigene Zeit. Nun durfte es aber nicht sein, um 12 h in Berlin einzusteigen und z.B. um 12.15 h in Hamburg anzukommen.
Fazit: Uns gebricht´s immer und überall an der Zeit. Wie "haben keine Zeit", Kinder natürlicherweise schon, aber wir entreißen sie ihnen. Paradoxerweise wurde die so erkaufte "freie Zeit", Muße also, ebenfalls zum Gut, für das auch bezahlt wird, z.B. für einen Babysitter. Widersinnigerweise packen diejenigen, die sie sich erkauft haben, dann häufig wieder möglichst viele "Freizeit"-Aktivitäten in solche Zeitspannen, um sie voll auszunutzen. Die Katze beißt sich in den Schwanz.

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* Ist das nicht ein toller Ausdruck? Zuletzt gesehen im lebenswert und humorvoll geschriebenen Buch Südsee-Traum Samoa, von Harald Arens über die ehemalige deutsche Kolonie.

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